Dienstag, 17. Mai 2016

OMG! Es ist passiert. Lämmchen hat sich verletzt!



Einer dieser Momente vor denen ich mich so gefürchtet habe. Einer dieser Momente warum ich eigentlich keine Kinder haben wollte. Ich habe ihn mir schlimm vorgestellt und es fühlt sich immer noch viel schlimmer an als ich befürchtete. Diese Sekunde habe ich immer noch vor Augen.

Ich war gerade dabei etwas wegzuräumen, das Lämmchen ggf. gefährlich hätte werden können. Und war diese eine Sekunde abgelenkt, die ich gebraucht hätte, um Lämmchen all das Leid zu ersparen. Diese Sekunde des Begreifens was gleich passiert, in der die Zeit kurz still zu stehen scheint und dann geht plötzlich alles so schnell, dass ich es nicht mehr rechtzeitig geschafft habe. Als ich mir Lämmchen schnappen konnte war es schon dran, ihr Händchen am heißen Ofen meiner Mutter. Was würde ich dafür geben, wenn ich diesen Moment hätte verhindern können. Aber es war zu spät. Lämmchen schrie. Ich lief mit Lämmchen zum Waschbecken, um ihr Händchen unter kaltes Wasser halten zu können. Lämmchen schrie. Ich versuchte klar zu bleiben. Lämmchen schrie. Es fiel mir nicht leicht mit meiner hysterischen Mutter, die ihren halben Speisekammerinhalt auf Lämmchens Wunde machen wollte und meiner Nichte, die die Situation immer wieder grausam treffend analysierte. „Sie muss irrsinnige Schmerzen haben.“ Dieser Satz, meine Gedanken, die Situation. Mein Herz schrie mit Lämmchen vor Schmerz. Ich habe versucht alles richtig zu machen, einen kühlen Kopf zu bewahren und Lämmchens Hand zu kühlen. Ich dachte ich mache alles richtig.

Und dabei habe ich alles falsch gemacht.
Ich habe überwiegend Lämmchens falsches Händchen gekühlt. 

Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag. Zum Glück hatte sich meine Mutter wieder gefangen und übernahm nun das Kühlen der verletzten Hand. Lämmchen hörte auf zu schreien. Und ich hatte das Gefühl ich muss zusammenbrechen. Eine Sekunde Unachtsamkeit ist das eine, aber Lämmchens Leiden unzureichend gelindert zu haben… Ich fand zwei, drei Minuten alleine. Ich musste kurz heulen, ich musste diesen Druck abbauen und schnell wieder funktionieren. Danach ging es etwas besser. 

Wir riefen den Notarzt an. Er sagte uns was zu tun sei, viel mehr könne er erst mal auch nicht machen. Lämmchen hatte mittlerweilen ein Zäpfchen intus und planschte mit ihrem Händchen im kühlen Wasser teilweise sogar vergnügt herum. Es ist erstaunlich wie gut sie mit diesen Schmerzen umging. Mittlerweilen war mein Baby schon ziemlich übermüdet und jedes Mal, wenn ich sie zu Bett bringen wollte bzw. mit ihr in mein Bett gehen wollte, bei jedem liebevollen Beruhigungsprozedere, das sonst funktionierte, schrie sie als hätte sie sich erneut verbrannt. Ich ging wieder kühlen und Lämmchen hatte wieder gute Laune. Das ging mehrere Male so bis mir klar war, dass es nicht der wieder aufflammende Schmerz war sondern dass meine Kleine nach dem Schock zu traumatisiert war für das übliche Einschlafen. Nach einem Telefonat mit meinem Freund, der ja nicht mit nach Österreich gekommen und in Köln geblieben war, ging es mir selber zumindest etwas besser. Er hat so eine ruhige, zuversichtliche Art und hat mir Kraft gegeben. Danach versuchte ich es mal ganz anders. Kein Beruhigungs- und Einschlafprozedere. Ich setzte Lämmchen neben mir ins Bett, ließ das Licht an und gab ihr, ganz pädagogisch wertvoll, mein Handy zum Spielen. Sie hantiert gerne damit herum, befühlt es, klappt es auf, mag es wenn das Display anspringt und die Musterkennung beim darüberwischen vibriert. Sie war so vertieft in ihr Spiel, dass sie nicht merkte wie ich das Licht abschaltete. Bald wurde sie immer ruhiger und irgendwann schlief sie ein, das Handy im Arm und ein Händchen auf meiner Hand …

Lämmchens Nacht war dann einigermaßen erholsam, meine gar nicht. Einerseits konnte ich kaum schlafen, weil sie auf jede meiner Bewegungen es mir bequemer zu machen reagierte und andererseits … Lämmchens Schmerz war anscheinend vorüber, meiner aber noch lange nicht.

Am nächsten Tag war meine Kleine beschämend gut gelaunt. Und das mit einer Brandblase, fast so groß wie ihr halbes Händchen! Sie schien keine Schmerzen zu haben und ich achtete nur darauf, dass sie die schützende Brandblase nicht zu sehr belastete. 

Mittlerweilen waren wir bei der Kinderärztin. Nach einigem Abwägen haben wir uns entschlossen die Blase aufzustechen und zu verbinden. Wenn sie unterwegs oder beim Rückflug aufgegangen wäre, wäre es schwierig alles sicher und schnell zu versorgen. Und Lämmchen ständig vom Krabbeln abhalten zu müssen war auch nicht so ganz das Wahre. Als es zur Sache ging mit dem Aufstechen hielt ich Lämmchen fest und drehte mich weg, den Anblick konnte ich nicht ertragen. Lämmchen heulte und ich befürchtete neues Leid. Aber es war nur das Festhalten. Als Ärztin und Assistentin tatsächlich loslegten wurde meine Kleine ganz still und schaute fasziniert zu was passierte.
Es tut mir so schrecklich weh, wenn ich daran denke, dass Lämmchen solche Schmerzen erleiden musste. (Und es tut auch weh, wenn ich nicht daran denke. Es erschöpft mich ständig.) So unnötig, so grausam. Dafür hat sie das alles aber erstaunlich gut weggesteckt. Der Entwicklungsschub scheint vorbei, das neueste Zähnchen ist raus und mit ihrer Verletzung scheint sie gut gelaunt und ohne größere Probleme klar zu kommen. Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass alles gut verheilt.

Vor allem Lämmchens Händchen. 

Aber auch mein Herz muss heilen. Und mein Selbstbewusstsein. 10 Monate war Lämmchen weder krank, noch hat sie sich nennenswert verletzt (Blaue Flecken u.ä. mal ausgenommen). Das hat mir ein gutes Gefühl gegeben, eine gewisse Leichtigkeit, Zuversicht und Stärke für das Kind. Und jetzt ist all das weg. Ich habe das so sehr gebraucht, denn ich habe lange mit mir gehadert ob ich ein Kind möchte, ob ich so etwas schaffe, ob ich mit dieser Verantwortung und Verletzbarkeit klarkomme.

Aber was bleibt mir anderes über. Ich muss mir die Stärke und das positive Gefühl wieder aufbauen. Und mir selbst verzeihen. Und aus meinen Fehlern lernen. Für mein Lämmchen. Aber im Moment kämpfe ich noch. Mit diesem Schmerz, mit dieser Schuld.

Euer erschüttertes schwarzes Mutterschaf





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