Sonntag, 1. Mai 2016

Das Buch „Geborgen wachsen“ von Susanne Mierau mit dem schwarzen Mutterschaf


 
Ich hatte es euch ja schon angekündigt. Auch ich konnte meine Neugier nicht zügeln und hab mir ein Buch des bekannten gleichnamigen Blogs (http://geborgen-wachsen.de/) besorgt. Ich kannte ja schon einige ihrer Blogposts und freute mich schon sehr darauf nun ihr Buch zu lesen. Während Lämmchen neben mir spielte wollte ich dann nur kurz einen Blick hinein werfen und zack, schon konnte ich nicht mehr aufhören. Irgendwann wurde meine Kleine dann auch darauf aufmerksam und wir lasen zusammen. Gut, natürlich nur kurz. Lämmchen waren da einfach zu wenige Babybilder drin. Aber sonst fand sie es auch gut. Und vor allem lecker! ;)

Keine Sorge, bevor mein Mädchen das Buch ganz verschlingen konnte, hab ich es noch fertig gelesen. Und ich will euch heute davon erzählen. Wie schon viele andere vor mir im Netz. Aber ich schwarzes Mutterschaf lege meine Aufmerksamkeit wahrscheinlich auf ganz andere Punkte.

Als allererstes: Susanne Mierau ist eine Anhängerin des Attachment Parenting. Sie möchte möglichst natürlich gebären, stillt, trägt, hält ab, benützt Stoffwindeln, gibt ausschließlich Fingerfood, ... 
und sie schreibt darüber wie man Geborgenheit schafft. Und sie schreibt nicht nur darüber. Sie schafft sie selbst. Die Geborgenheit. Beim Lesen. Man fühlt sie, die Geborgenheit. Ich weiß nicht wie diese Autorin es macht, aber sie schafft es eine klare Richtung zu geben, dabei aber immer offen, respektvoll und verständnisvoll zu bleiben, wenn auch mal andere Wege eingeschlagen werden.

Ich habe ein paar einzelne Punkte herausgepickt, die sich teilweise sehr auf mich persönlich und/oder die besagten anderen Wege beziehen. Sie spiegeln also nicht die Gesamtheit des Buches wieder:

„Geborgen gebären, geborgen ankommen“

Bezüglich der Geburt geht die Autorin natürlich überwiegend darauf ein wie man diese im Idealfall gestalten kann. Aber auch zum Kaiserschnitt kann sie konstruktiv beitragen: „Jede Mutter wählt die Geburtsart, von der sie überzeugt ist, dass sie das Beste für sich und das Kind darstellt“. Sie scheut sich auch nicht Tipps für ein besseres Wohlbefinden bei einem geplanten Kaiserschnitt zu geben. Desweiteren geht es nicht nur um die magische erste Stunde Bonding: „Doch auch danach lässt sich Bindung wunderbar herstellen (…). Es ist nicht so, dass nur diese ersten Stunden zählen und für immer das Leben beeinflussen. Sie können ein hilfreicher Baustein sein, sind aber nicht das Fundament der Bindungsfähigkeit.“ 

„Geborgenheit über Sprache vermitteln“

Eine Basis der Geborgenheit ist für Mierau das Verstehen des Babys und das Geborgenheit über Sprache vermitteln. Hier habe ich zwei Aspekte aufgegriffen, die bei mir grade besonders aktuell sind und die ich mir immer wieder vor Augen halten möchte: „Auch Babys dürfen ihre Lallphase in Ruhe zu Ende bringen, bevor wir sie imitieren, um sie zum Weiterbrabbeln zu animieren.“ Ja, ich bin meiner Kleinen schon mal etwas zu ungeduldig in die Brabbelparade gefahren, um nur ja prompte Antwort zu geben und sie zum Weiterbrabbeln zu animieren. Danke dem Buch ist mir das bewusst geworden und ich achte nun besser darauf. :)
Und da ich ja ein kleines Entdecker-Krabbel-Lämmchen zu Hause habe: „Wenn wir hingegen jedem „Nein“ auch eine Begründung mitgeben, können wir uns selbst dabei unterstützen, herauszufinden, ob dieses „Nein“ auch wirklich notwendig ist.“ Auch hier arbeite ich schrittweise daran meine „Neins“ zu minimieren. (Ein Türschutzgitter für einen abgesicherten Katzen-Utensilien- und -Rückzugsbereich ist bestellt. Der Katzenbrunnen und das Katzenklo sind einfach ein zu großer Magnet. ;))

„Gemeinsames Essen ist mehr als nur Nahrungsaufnahme“

Natürlich ist für Mierau Stillen das vorzuziehende Nahrungsmittel. Sie akzeptiert aber auch, dass Frauen ihre Gründe haben nicht zu stillen. „Haben diese Familien schlechtere Voraussetzungen für den Aufbau einer sicheren Bindung? Nein.“ Punkt. Dem ist für mich nichts hinzuzufügen. Die Autorin kann an dieser Stelle jedoch noch einige Tipps zu geborgener Flaschenfütterung beitragen.
Bindung als wichtiger Teil von Geborgenheit findet für die Autorin vor allem im Alltag statt und dies kann dann entsprechend flexibel ablaufen: „Wie wir im Alltag auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren, ob wir Brei geben oder Fingerfood, ob wir tragen oder schieben, ist nur die Ausgestaltung des Rahmens der Wahrnehmung von Bedürfnissen.“ Ein bisschen viel „oder“ und gar kein „und“. Aber ich nehme mal an Mierau wollte den Text einfach halten, da es ihr im Grunde um etwas anderes geht: „Auch wenn die breifreie Beikost viele Vorteile hat, gibt es auch Eltern, die lieber Brei füttern möchten und für die dies die entspanntere Form der Beikosteinführung ist. Und genau das ist wichtig, wenn es darum geht, dass unsere Kinder den Umgang mit Nahrung lernen: dass wir entspannt sind.“ DAS ist absolut meine Rede, ich würde das sogar noch von der Nahrung auf die Welt ausweiten. Wenn wir entspannt sind, wenn es uns gut geht, dann überträgt sich das direkt auf das Kind. Niemand von uns kann vor dem Kind ständig verstecken und verdrängen wie ausgepowert und gestresst wir sind. Wenn wir möchten, dass die Kinder möglichst entspannt und damit auch glücklich und geborgen groß werden, dann müssen wir uns auch mal um uns selbst kümmern und auch an die eigenen Bedürfnisse im Umgang mit dem Baby denken. Für Susanne Mierau bedeutet das, dass auch Breikost damit völlig in Ordnung geht, solange diese Gelassenheit gegeben ist. Für mich schwarzes Mutterschaf bedeutet das, dass ich sogar so dreist bin diesen Bogen weiter bis hin zum Gläschenfüttern zu ziehen. Es entspannt mich ungemein, meine Zeit nicht mit für mich enervierender Essenszubereitung verbringen zu müssen.


„Körperpflege eine Zeit des Miteinanders“

Zu den Wegwerfwindeln zeigt sich die Autorin ebenfalls wieder offen: „Achtsame Babypflege ist auch mit Wegwerfwindeln möglich, wenn Eltern auf die Signale ihres Kindes achten und zugunsten der Körperpflege tägliche Zeiten an der frischen Luft ohne Windeln einbauen.“ Hier freue ich mich schon auf sommerliche Temperaturen, wo das leichter und auch draußen praktizierbar ist. Das Wickeln war bei uns eigentlich lange eine sehr schöne Angelegenheit, ich konnte mit Lämmchen im Rahmen der Körperpflege besonders gut spielen, interagieren, streicheln und sie an Körpererfahrungen teilhaben lassen. Seit sie aber krabbeln kann ist ihr Bewegungsdrang enorm gestiegen und ihr fehlt nun ein wenig die Ruhe dafür. „Das Kind braucht kein Mobile, das es von der Situation ablenkt, es braucht kein Spielzeug am Wickelplatz. Das Wickeln allein ist Spiel und Aufregung genug.“, sagt Mierau. Beides brauchten wir bei Lämmchen auch nicht, bis die gesteigerte Bewegungsfreude eintrat. Hier versuche ich jetzt also so gut es geht das Spielzeug wieder auszuschleichen und das Wickeln interessant genug zu gestalten, um sie bei der Sache zu halten. Das klappt je nach ihrer Stimmung mal mehr und mal weniger gut. Es ist immer noch anstrengend für mich uns beide beim Wickeln entspannt zu halten. Leider irgendwo ein Widerspruch. Aber in process. ;)

„Familien müssen mobil sein – aber wie?“

Tragen hat viele Vorteile, wenn es bei beiden Beteiligten fluppt. Das kann auch die Autorin sehr schön ausformulieren. Aber auch für den Kinderwagen im Alltag kann sie Positives finden: „Die Unterstützung durch einen Kinderwagen kann deswegen hilfreich und entlastend sein – und eine Entlastung des Alltags kann sich wiederum positiv auf die Stimmung und Interaktion auswirken.“
 

„Jedes Bild hat einen Rahmen – über Grenzen“

Was mich überrascht hat war ihre eigentlich recht konkreten Ansagen im Bereich zu Erziehung und Grenzen. Lämmchens Erziehung hat eigentlich noch nicht richtig angefangen, aber natürlich mache ich mir auch schon Gedanken darüber und versuche mich hier im Dschungel der Ansätze und Möglichkeiten zurecht zu finden. Das „aufgeklärte“ Nonplusultra ist heutzutage wohl die Variante a lá „unerzogen“ (hierzu z.B. mehr in dem Blog https://diephysikvonbeziehungen.wordpress.com/), im Sinne von: Kinder möglichst wachsen lassen wie und wohin sie wollen. Die Eltern sorgen dabei für einen möglichst großen und sicheren Rahmen in dem z.B. die Inhalte „Erziehung, Grenzen, Konsequenz, Regeln oder Neins“ verpönt sind. Ich finde das grundsätzlich spannend, vom theoretischen Ansatz her. Allerdings ist mir das alles so wenig greifbar, mir fehlen die konkreten Beispiele im Alltag und so bin ich mir nicht sicher wie weit dieser Weg für mich gehbar sein kann. Mierau jedoch scheut sich nicht Klartext zu sprechen: „Im Alltag müssen wir unseren Kindern Grenzen klar kommunizieren: Manche Dinge sind nicht verhandelbar, und kleine Kinder sind von einem Entweder-oder oder einem „könnte“ eher überfordert. Sie können Entscheidungen noch nicht alleine treffen. Oder besser: Sie müssen Entscheidungen nicht treffen, denn dafür sind wir ihre Eltern.“

„Fördern oder Fordern?“

Auch bezüglich dem Leistungsdenken und Baby-Kurs-Förder-System hat die Autorin etwas beizutragen: „Wir fördern, anstatt im Alltag ausreichend Gelegenheiten zu bieten, die das Kind fordern.“ Also kein schlechtes Gewissen, wenn die eine Bekannte viel mehr Kurse mit dem Baby belegt hat als man selbst. Hat ein Kind einen reichhaltigen Alltag reicht dies völlig aus. Lämmchen und ich besuchen eine geschlossene Krabbelgruppe und eine offene, weil ich ihr den Umgang mit mehreren anderen Erwachsenen und Kindern nicht so ausgeprägt bieten kann. Ich sehe wie sehr sie dabei aufblüht, da sie ein sehr soziales Wesen ist. Ein wenig schlechtes Gewissen hatte ich, weil wir keinen vielbesungenen „Baby-Schwimmkurs“ besucht haben und hier nimmt Mierau wirklich ein wenig den Druck.

„Geborgen Schlafen“

Natürlich ist auch Schlaf ein Thema des Buches. „Vermitteln wir ihnen (den Kindern) Sicherheit und Ruhe und sind verlässlich bei ihnen, wenn sie sich ängstigen, lernen sie mit der Zeit sich selbst zu beruhigen. (…) Deswegen bedeutet geborgenes Schlafen nicht nur, dass Babys im ersten Jahr in der Nähe der Eltern schlafen dürfen.“ Bei dem ersten Teil bin ich noch ganz bei der Buchautorin. Ich möchte mein Baby nicht schreiend alleine lassen. Das ist grausam und einfach nicht notwendig. Sobald Lämmchen heult oder schreit, bin ich binnen einiger Sekunden bei ihr. Meine Kleine bringt von Haus aus ein relativ hohes Sicherheitsgefühl mit, das durch unsere Ruhe und unser Dasein (wenn notwendig) noch verstärkt worden ist. Denn sie war immer schon sehr entspannt, konnte auch oft einfach abgelegt werden und da einschlafen wo sie grade war, mit uns und dem Leben rundherum. Eines Tages, etwa mit zwei, drei Monaten klappte das plötzlich nicht mehr so. Sie quälte sich mit dem Einschlafen. Ich zerbrach mir den Kopf darüber welches scheinbar unerfülltes neues Bedürfnis dahinter stecken musste. Ich probierte herum woran es liegen konnte. Mein Bauchgefühl sagte mir schließlich, dass sie vielleicht mehr Ruhe brauchte. Und so rollte ich unser Beistellbettchen auch tagsüber vom belebteren Wohnzimmer zurück in das ruhige und etwas abgedunkelte Schlafzimmer, legte mein müdes Mädchen dort ab, zog mich zurück und wartete ab.  Lämmchen schlief ansatzlos ein. Und das mehr oder weniger noch bis heute.  (Wenn nicht, dann ist sie einfach noch nicht müde genug oder es liegt aufgrund Schub, Zahnen etc. eine Ausnahmesituation … vor. ;)) 
Wenn sie nachts wach wird und heult, dann komme ich und lege ihr beispielweise meine Hand auf die Brust. Hin und wieder hält meine Kleine meine Hand fest, zeigt, dass sie die Berührung gerade besonders braucht. Manchmal schläft sie mit dieser Berührung dann ein. Manchmal schiebt sie meine Hand aber auch bewusst weg und dreht sich zur Seite. Dann weiß ich, dass sie nun einfach in Ruhe einschlafen möchte und ich mich zurückziehen kann. Lämmchen verbrachte also schon nach zwei, drei Monaten die ersten Stunden der Nachtruhe in unserem Schlafzimmer alleine, bis wir selbst ins Bett gingen. Neuerdings mit den getrennten Schlafzimmern verbringt sie grundsätzlich die ganze Nacht allein. Die Buchautorin zieht diesbezüglich eine magische Grenze mit einem Jahr. Bis dahin schlafen die Kinder geborgen in der Nähe der Eltern. Danach wohl auch geborgen in getrennten Zimmern. Ich weiß nicht ob diese Grenze als ungefähre Richtlinie oder als Minimum gedacht ist oder mit welchen Überlegungen sie festgelegt worden ist. In unserem Fall unterschreite ich dieses Limit um ca. 2 Monate. Zwei Monate, die ich in unserem Fall als durchaus gerechtfertigt sehe, eben weil mein Kind immer schon sehr entspannt mit dem Alleineschlafen umgegangen ist (solange jemand kommt, wenn sie es braucht). 

„Eltern und Kinder zuerst“

Besonders schön (und) zu meinem Blog passend finde ich das abschließende Thema: Eltern und Kinder zuerst. „Es stimmt nämlich nicht, dass die Kinderbedürfnisse über allem stehen. Wenn ich glücklich bin, kann ich auch einen entspannten und glücklichen Tag mit meinem Kind verleben.“  
Und weiter plädiert sie: „Es gibt kein Besser oder Schlechter, weil wir von außen die wirklichen Beweggründe für Entscheidungen, die andere Eltern treffen, nicht kennen oder sie vielleicht aus unseren Erfahrungen heraus gar nicht nachfühlen können. Deswegen steht uns auch keine Bewertung dessen zu, was für jede einzelne Familie richtig wäre.“ 
 Es geht auch nicht darum Supereltern zu sein und jederzeit alle Bedürfnisse des Kindes prompt zu befriedigen. Man sollte dem Baby auch die Gelegenheit geben, Selbstregulation zu erlernen und zu erfahren. Die Autorin bringt an dieser Stelle auch das Beispiel mit dem selbstständigen nächtlichen Wiederein- bzw. umgangssprachlichen Durchschlafen. Sie teilt grundsätzlich die Meinung von Donald Winicott, der eine „ausreichend gute Mutter“ der „zu guten Mutter“ vorzieht.

„Schlusswort“

„Doch der Weg in eine glückliche Kindheit kann auch ganz anders aussehen. Er kann in einer Klinik beginnen, mit künstlicher Säuglingsnahrung weitergeführt werden und ganz ohne Abhalten und Stoffwindeln und ohne Tragetuch passieren.“
Das ist es was ich meine. Mit den ganzen (modernen aber auch alten) „Erziehungs“-Ansätzen in der Baby- bzw. Kinderwelt kommt schnell der Gedanke auf, diejenige die diese oder jene Praxis erfüllt ist eine bessere Mutter als jene die es nicht macht – oder umgekehrt.
Jeder kann sich den Ansatz suchen, der am besten zu einem passt. Es ist weniger das was, es ist das wie. Was nützt es dem Kind wenn es alleine geboren, getragen, gestillt, abgehalten etc. … wird, wenn die Mutter gestresst, erschöpft, launisch, frustriert oder cholerisch ist? (Dass wir das alle mal sind und sein können, steht dabei außer Frage, ich spreche von überwiegend dauerhaften Zuständen.)

Beenden möchte ich meinen literarischen Ausflug mit folgendem Abschlusssatz der Autorin: „Bleiben unsere Augen offen und unsere Herzen bereit, unseren Alltag immer wieder neu aus der Kinderperspektive zu betrachten, haben wir damit die einzig wirklich wichtigen Zutaten für ein geborgenes Aufwachsen gefunden.“

Wie bereits eingangs erwähnt, war dies eine sehr persönliche und spezielle Rezension des Buches „Geborgen Wachsen“ von Susanne Mierau. Wer neugierig geworden ist und noch mehr wissen will: Das frühe Vogerl verlost bis zum 3. Mai  ein paar Exemplare des Buches:  

Euer sich schon nach dem nächsten Buch umsehendes schwarzes Mutterschaf





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